Kunst?
Um meine Arbeit verstehen zu können, ist es vielleicht hilfreich, wenn ich meine Meinung zu Kunst und Bildhauerei darstelle. Da ich kein Schriftsteller bin und ich bei zahlreichen Texten sagen kann: "...das sehe ich genauso", gebe ich hier die Zitate wieder.
Zur Kunst

Was soll uns die Kunst?
von Hanno Rautenberg
(Die Zeit, Feuilleton 24/2002)

...Heute sind die Künste zerrissen wie die Gesellschaft, hier wie dort ist das universale Menschenbild verloren gegangen. Und hinter diese Pluralität wird es kein Zurück geben....

...Zwar schwört man, alle Stil- und Geschmacksdiktate überwunden zu haben. In Wahrheit aber glauben viele noch an das Konzept der Avantgarde, daran, dass sich die Künste in eine verbindliche Richtung entwickeln - die Vorhut prescht voran, das Feld muss folgen. Es gilt ein kryptonormativer comment, der nichts gibt auf handwerkliches Können, der das Seelenvolle als Kitsch abtut und Schönheit ächtet. Stillschweigend hat man sich darauf geeinigt, dass die Kunst jung und frech zu sein habe, dass sie etwas Neues bieten müsse und der Gesellschaftskritik oder der Selbstwahrnehmung dienlich sein sollte. Nur selten wird darüber nachgedacht, wie sinnvoll diese Kriterien tatsächlich sind, denn noch eine Regel gibt es: Die Kunst darf alles infrage stellen, doch Fragen an das Kunstsystem gelten als unstatthaft. Schnell wird der Kritiker als Feind des Zeitgenössischen ins dunkle Eck gedrängt. Die Ängste und Immunisierungsmechanismen sind gewaltig, die Denkverbote unerbittlich...

.......Immer neue Formen und Tätigkeiten werden durchgespielt, immer kürzere Haltbarkeitsfristen nimmt man in Kauf. Es ist ein verblödendes Spiel, eines, das die Regeln zum Inhalt macht. Ohne groß darüber nachzudenken, verpönt man das Tradierte, das Porträt ebenso wie das Historienbild, denn so etwas könne man einfach nicht mehr machen, heißt es;..

....Kunst aber ist nur, was uns als Kunst vorkommt. Sie kommt uns als Kunst vor, wenn sie uns etwas bedeutet. Und sie bedeutet uns etwas, wenn sie uns berührt, uns packt oder ansticht, wenn sie selbst in ihrem Schweigen etwas sagt. Bei aller Nähe aber muss sie unnahbar bleiben, sie muss unsere Neugier wecken, ohne sie zu stillen. Erst in diesem unlösbaren Wechselspiel wird sie unsere moralische, soziale und religiöse Fantasie beflügeln. Künstler vermögen es, uns "sehen zu lassen, dass es Unsichtbares im Sichtbaren gibt", wie Jean-François Lyotard schreibt. Sie können unsere Lust am Denken im Konjunktiv wecken, können in uns die Vorstellung reifen lassen, dass die Welt einst anders war und dass sie anders werden könnte. Welche Form, welches Material die Kunst dafür wählt, ob sie in Schönheit glänzt oder mit Hässlichkeit alle Harmoniebedürfnisse durchkreuzt, ob sie Genuss bietet oder Zumutung verordnet, ist gleichgültig. Es zählt nicht, was wir sehen; es zählt, was sich in uns abbildet....

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